Unter Poltern versteht man eine mehrdimensionale Störung, die verschiedene Ebenen der Sprache und des Sprechvorgangs betrifft. Eine einheitliche Definition, die aus einer systematischen Erforschung der Symptomatik resultiert, gibt es zur Zeit noch nicht.
Ulrike Sick hat folgende Arbeitsdefinition verfasst:
„Poltern zeigt sich in einem gehäuften Auftreten phonetischer Auffälligkeiten wie Auslassungen und Verschmelzungen von Lauten und Silbenfolgen, Lautersetzungen und Lautveränderungen, die häufig zur Unverständlichkeit von Äußerungen führen, bei einer hohen und/oder irregulären Artikulationsrate. Häufig treten zusätzlich Unflüssigkeiten in Form von Silben-, Wort-, Laut- und Satztteilwiederholungen auf.
Die Diagnose wird gestützt durch Störungen aus den Bereichen Kommunikation/Pragmatik, der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung, Aufmerksamkeit, syntaktisch-morphologische und semantisch-lexikalische Störungen sowie Störungen der sprachlichen Strukturierung (Sick 1999)“
Ulrike Sick: Poltern. Theoretische Grundlagen, Diagnostik, Therapie. G. Thieme, Stuttgart/ New York 2004, ISBN 3-13-131211-4, S. 13
Es werden 3 Kernsymptome unterschieden, die das Poltern ausmachen:
Darüber hinaus gibt es auch auf sprachsystematischer Ebene Auffälligkeiten wie:
Ursachen, die zum Poltern führen sind zur Zeit noch ungeklärt. Es tritt familiär gehäuft auf, was auf eine erbliche Disposition schließen lässt. Jungen sind dabei häufiger betroffen als Mädchen.
Vermutlich liegt dem Poltern u.a. eine auditive Verarbeitungsstörung zu Grunde, die das auditive Monitoring erschwert. Das Monitoring bezeichnet dabei die stetige Selbstüberwachung und -kontrolle, die wir automatisch ausüben, während wir von der Redeabsicht über die Sprachplanung zur Aussprache gelangen.
Wir führen neben einem ausführlichen Anamnesegespräch eine differenzierte Diagnostik
zur Spezifizierung der gestörten Bereiche durch.
Dies ermöglicht uns die Schwere der Störungen einschätzen zu können und individuelle Therapieziele abzuleiten.
Poltern ist nicht heilbar. Die Therapie dieser vielschichtigen und komplexen Störung muss mehrdimensional und einzelfallorientiert an der speziellen Symptomatik des Patienten erfolgen. Daher betrachten wir die gesamte Symptomatik mit den Wechselwirkungen der Symptome aufeinander und beziehen das soziale Umfeld mit in die Therapie ein. Dies kann auf Wunsch des Patienten auch bedeuten, dass gemeinsam das soziale Umfeld über die Redeflussstörung aufgeklärt wird z.B. in Form von Referaten in der Schule oder am Arbeitsplatz oder Gesprächen und In-Vivo-Trainings, um zum Einen das Umfeld zu sensibilisieren und Vorurteile abzubauen und zum Anderen den Patienten zu desensibilisieren, damit er keine sekundären Folgeerkrankungen entwickelt, sich zurückzieht oder Sprechängste entwickelt.
Inhaltlich wird in allen auffälligen Bereichen gearbeitet mit dem Ziel, den Patienten in die Lage zu versetzen, sein Sprechen in ihm wichtigen Situationen durchgehend kontrollieren zu können. Dafür sollen die Symptomwahrnehmug, sprachliche Organisation, Artikulation und das Sprechtempo insofern verbessert werden, dass der Patient in die Lage versetzt wird, vor, während oder nach Auftreten der Symptome seinen Redefluss zu unterbrechen und mit modifiziertem Sprechen (erlernten Techniken) fortzufahren.